Ein Lob dem Lobpreis

Der Junge Kammerchor in der Herz Jesu Kirche

Stuttgarter Zeitung, 28.06.2000

von Otto Bantel

Das Hohelied Salomons, der Preisgesang auf die Liebe, einst von der Theologie nur meta- phorisch geistlich gedeutet und des Eros beraubt, hat die Komponisten aller Epochen zur Vertonung gereizt. Kein Wunder bei der ihm innewohnenden Poesie der Empfindung und der Sprache. Vielleicht käme eine Vertonung für Soli dem Geist dieser Dichtung näher, aber es spricht nichts gegen eine chorische Aufführung, zumal Material in hinreichendem Maße zur Verfügung steht, was auch ein Blick auf das Programm beweist.

Während die Ausschnitte aus dem Hohenlied von Leonhard Lechner und dem ebenfalls der Renaissance zuzurechnenden portugiesischen Komponisten Estevao de Brito noch deren Kompositionsvorschriften folgen, versuchen die Beispiele aus dem 17. bis 20. Jahrhundert den Geist und die Lyrik der Dichtung zu treffen. Die sich ergebende Klimax brachten die Sängerinnen und Sänger des jungen Kammerchors Baden-Württemberg bei ihrem Konzert in der Herz-Jesu-Kirche unter der Leitung von Jochen Woll mit vorbildlicher Intonation und differenzierter Dynamik adäquat zum Ausdruck.

Zugleich lernte man bei dem mittleren Programmblock Werke kennen, die bei uns völlig unbekannt sind: Vertonungen von William Billings, einem Amerikaner, der von 1746 bis 1800 lebte, von dem englischen Komponisten Edward C. Bairstow (1874 - 1946) und dem Kanadier Stephen Chatman (geboren 1950), mit dessen “Hohelied-Beitrag” der Chor erneut sein Können demonstrieren konnte; es ließ sich vor allem an der Ausführung der schwierigen Akkord- fügungen ablesen. Der von dem Israeli Yehezkel Braun (geboren 1922) originell bearbeitete Textextrakt und der von Pablo Casals mit Sensibilität vertonte Auszug bildeten am Ende nochmals einen gewissen Höhepunkt.

Es war fast paradox: das Gegengewicht zu dem Text aus dem Alten Testament lieferte der zweite Satz des “Psyche” genannten “Poeme symphonique” von Cesar Franck, einer “klassisch-heidnischen” Komposition des sonst auf religiöse Musik ausgerichteten Meisters. Das Werk erfuhr durch Peter Lauterbach eine klare Gliederung die sich mit einer geschickten Registrierung verband.