Junger Kammerchor mit Brahms
Requiem mal anders
Stuttgarter Zeitung, 20.11.2001
Ein Fall von Sparzwang in der Kultur oder künstlerisches Experiment? Etwas gewöhnungsbedürftig war es jedenfalls, das klanggewaltige Deutsche Requiem von Johannes Brahms lediglich mit Klavier zu vier Händen statt vom Orchester zu hören. Brahms selbst hat sein Requiem zu einer vierhändigen Klavierfassung umgeschrieben, diese jedoch primär für den Hausgebrauch vorgesehen. Dass das ungewöhnliche Projekt trotz der klanglichen Abspeckung für sich einnehmen konnte, lag sowohl am sensibel musizierenden Jungen Kammerchor Baden-Württemberg als auch an den beiden versierten Pianisten Andreas Grau und Götz Schumacher, die sich in der Leonhardskirche zunächst mit Bach- Choralvorspielen in Transkriptionen von György Kurtág vorstellten.
Beim Requiem schöpfte das Klavierduo aus einem reichen Fundus an instrumentalen Farben, behielt den rhythmischen und dramatischen Puls fest im Griff und entwickelte, wo nötig, Lautstärken von beinahe orchestraler Qualität. Und doch reichte die enorme Klangintensität der beiden nicht immer aus, eine dauerhaft ausgeglichene Balance zwischen Klavier und groß besetztem Chor zu gewährleisten.
Der Junge Kammerchor konnte beachtlich substanzhaltiges Volumen entfalten, etwa im Herzstück des Requiems "Denn alles Fleisch, es ist wie Gras". Aber auch die flexible dynamische Gestaltung, der Sinn für Farbwechsel schufen immer wieder Gänsehaut-Momente. Der Chor schien, animiert von Jochen Woll, den Text geradezu zu beatmen. Nur in der zweiten Hälfte wirkten die Sänger stellenweise müde. Ausgeruht aber präsentierten sich die Solisten. Mechthild Bach, Sopran, hatte anfangs Schwierigkeiten mit dem Anspringen der hohen Töne, intonierte jedoch sauber und berührte durch ihr wunderbar dunkles Timbre. Ein guter Erzähler, dem dramatische Textausdeutung am Herzen lag, war Sebastian Bluth mit tragfähigem Bariton. bri