Die Himmel der Musik
Peter Schindlers "Missa'' in der Leonhardskirche uraufgeführt
Stuttgarter Nachrichten, 04.10.2001
Das Benedictus als Ballade: Das behutsam phrasierende Saxofon Peter Lehels haucht "blue notes'', die Orgelregister von Peter Schindler, Komponist dieser Jazz-Messe, würden sich für einen Choral wie für einen stillen Blues eignen, Drummer Markus Faller klopft direkt am Puls des Jazz. Und dann der Junge Kammerchor Baden-Württemberg (Leitung: Jochen Woll), der die lateinischen Worte dieser "Missa'' rhythmisch akzentuiert und mit persönlichem Gefühl füllt. Hosanna in excelsis - es sind die Himmel der Musik, um die es hier geht, nicht die Luthers oder des Papstes.
Peter Schindler hat seine Jazz-Messe für Chor, Orgel, Saxofon und Percussion speziell für den Jungen Kammerchor und sein Ensemble Pipes & Phones geschrieben. Ein Tonträger wurde eingespielt, mehrere Kirchenkonzerte anberaumt - eins davon in der sehr gut besuchten Leonhardskirche. Das Gotteshaus wird hier ebenso zum künstlerischen Requisit wie die Liturgie der Messe. In der Kanzel hält ein Kameramann das Objektiv auf die Musiker und Sänger, um den Ausdruck ihrer Gesichter auf Videowände zu projizieren, die das Kirchenschiff links, rechts und auch vorne flankieren. So entstehen Sinneseindrücke, die die Jazz-Messe zusätzlich von einer sakral-spirituellen Bestimmung entfernen. Um ein Konzert geht es hier, nicht um Beten und Glauben. Zögernd kommt denn auch der Applaus, bis schließlich das Klatschen jeden einzelnen Abschnitt beendet. Nichts anderes passte auf den Schluss des Gloria, wo sich Schindler und Faller in ein dynamisches Crescendo steigern. Zwei Jazz-Virtuosen, die mit ihrer Spielkunst auftrumpfen, ohne fromme Zurückhaltung. Zuvor gab es im Gloria auch stille, beschauliche Momente, in denen Faller die Besen schwang und Lehel mit variabler Artikulation glänzte. Ein Ton mal ganz warm und rund, mal schrill und kalt.
Oder das Sanctus, das, anders als das zögernd-zarte Kyrie, mit Pauken und Trompeten daherkommt, sich dann in triumphierenden Orgelakkorden und kräftigen Motiven fortsetzt. Bis schließlich ein entrückt schwebendes, harmonisches Agnus Dei die "peccata mundi'', die Sünden der Welt, in eine andere, ästhetischere, geläuterte überführt. Insofern spiegelt der Charakter dieser Missa Peter Schindlers durchaus ihren Kontext, auch wenn die sinnlichen Klangfarben des Jazz sie prägen. Michael Riediger