Forcierte Rhythmen Jazz in der Leonhardskirche
Stuttgarter Zeitung, 01.10.2001
"Moderne Rhythmen und Klänge, die aus dem Jazz bekannt sind, mit Anklängen an die verschiedenen stilistischen Einflüsse verbinden, denen die Vertonung des jahrhundertealten Messetextes im Verlauf der Geschichte unterworfen war'', so erklärt der Stuttgarter Komponist, Pianist und Organist Peter Schindler das, was er mit seiner Jazz-Missa "Voices, Pipes and Phones'' erreichen wollte. Die Komposition ist erst vor kurzem auf einer CD erschienen und sie erlebte jetzt in der Leonhardskirche auch ihre Stuttgarter Uraufführung.
Das Jazztrio Pipes and Phones mit Schindler selbst an der Orgel, Peter Lehel am Saxofon und dem Percussionisten Markus Faller hatte sich für dieses Konzert mit dem Jungen Kammerchor Baden-Württemberg unter Jochen Woll zusammengetan, wobei sich die Akteure von einem Videoteam beobachten ließen, dessen Bilder als riesige Projektionen auf der Kirchenwand erschienen. Gewöhnungsbedürftig war das und in der Flut seiner Bilder auch etwas ablenkend vom eigentlichen musikalischen Ereignis, das den sakralen, in getragene Chorklänge gekleideten lateinischen Text behutsam mit einem insgesamt sehr harmonischen Jazzmusizieren verband.
Im Unterschied zur CD-Einspielung freilich setzten der Chor und die Band ausgeprägtere dynamische Akzente, bekamen manch längere und getragene Passagen ein Kontra in den etwas forcierter gespielten Rhythmen der Band oder den deutlicher herausgearbeiteten stimmlichen Spannungsbögen, wofür der Hörer auch ein paar kleine Ungenauigkeiten gerne in Kauf nahm. "Kyrie'', "Gloria'', "Credo'', "Sanctus'' und "Agnus Dei'', das klang auf diese Weise weniger nach Liturgie und frommem Dienen, als vielmehr nach einer ernsthaften Suche zwischen künstlerischem Bemühen und vorsichtigen Annäherungen an zeitgemäße Erwartungen. ub