Verleih uns Frieden

Junger Kammerchor Baden-Württemberg in der St.-Vituskirche

Rhein-Neckar-Zeitung, 25.06.2003

Mit spannenden Programmen und hoher Gesangskunst bereichert der Junge Kammerchor Baden-Württemberg unter Leitung von Jochen Woll schon seit geraumer Zeit das Kulturleben unserer Region. „Dona pacem“ war das jüngste Programm überschrieben, mit dem der Chor in der St.-Vitus-Kirche Heidelberg-Handschuhsheim gastierte und Motetten zu Krieg und Frieden vom 16. bis zum 20. Jahrhundert vereinte.
„Dona nobis pacem“: die Bitte um den inneren Frieden, um das Seelenheil ist damit ebenso gemeint wie die Bitte um den Weltfrieden. Eine Messe endet mit eben dieser Bitte „Dona nobis pacem“. Seinen Platz hat diese Bitte im „Agnus Dei“. Eben jenes aus Orlando di Lassos Missa „doulce mémoire“ stand am Anfang des Konzerts: eine Musik, von zarten Samtklängen und verschwebenden Pianissimi des Chores sanft umhüllt.
 
In kriegerischen Zeiten des 16. Jahrhunderts wurde der Frieden auf Erden besonders stark herbeigesehnt. Das brachte die Interpretation zweier Schütz-Motetten („Verleih uns Frieden“ und „Gib unsern Fürsten“) zu sehr bewegtem Ausdruck. Starke Wirkung gewann die doppelchörige Motette „Warum toben die Heiden“ von Mendelssohn, große Plastizität kam hinzu durch die antiphonischen Wechselgesänge und höchst engagierte Deklamation von Wort und Sinn. Ebenso anspruchsvolle wie klanglich exquisite Chorliteratur schreibt Knut Nystedt. Seine Missa brevis (von 1985) ist ebenso gestenreich wie reich an Farbvaleurs und erlesenen Klangwirkungen. Mit zarten Sekundklängen und berückend leise gesungenen Klanggeheimnissen ließ der Junge Kammerchor ebenso aufhorchen wie mit kühnen, machtvoll aufgeschichteten Harmonien. Tänzerischen Schwung und Freude brachte der Chor ins „Gloria“, seraphische Harmonien gewannen visionäre Wirkung im „Sanctus“.

Seine „Cantate de la guerre“ schrieb Milhaud 1940, vertonte einen Text von Paul Claudel für vierstimmigen Chor und Solisten. Flammende „Malheur!“-Rufe kontrapunktierten ostinat die herben Harmonien dieser Kantate vom Krieg, wurde des Weiteren rhythmisch sehr engagiert gesungen, wobei ein wohlklingendes, chansonhaftes Duett einen heiteren Lichtblick in die dunkle, strenge Textur hineinsandte. Und auch für den spröden Reiz von Poulencs „Agnus Dei“ (aus der Messe in G) fand der Chor unter Jochen Wolls animierender Leitung den stark konzentrierten Ton.

Sehr eindrucksvoll tönte schließlich die Wiedergabe von Schönbergs „Friede auf Erden“ für achtstimmigen Chor, die weit geöffneten Harmonien ruhig fluten lassend, das Visionäre in bestechende Klanglichkeit einfassend.

(Rainer Köhl)