Stiller Trost

Brahms-Requiem in Heidelberg

Rhein-Neckar-Zeitung, 23.10.2004

Wenn ein Konzertsaal auf den Namen Johannes-Brahms-Saal getauft wird, so ist Musik des Namenspatrons die nahe liegende Wahl. So geschehen im großen Saal der Musik- und Singschule Heidelberg, als das „Deutsche Requiem“ auf dem Programm stand. Brahms selber hatte es später in eine Fassung umgeschrieben, die das Orchester durch einen vierhändigen Klavierpart ersetzt.
 
Eine simple Klavierauszug-Fassung ist nicht draus geworden, sondern vielmehr eine eigenständige Komposition, wobei auch die Vokalpartien teilweise umgeformt wurden. Der Klavierpart ist sehr reduziert, intim gehalten. Das ganze Werk gewinnt in dieser Version einen veränderten, sehr innigen Charakter. Vor drei Jahren hatte der Junge Kammerchor Baden-Württemberg unter Leitung von Jochen Woll diese Fassung schon einmal in Heidelberg zur Aufführung gebracht – nun wurde dieser Chor durch den Heidelberger Kammerchor (der Musik- und Singschule) verstärkt. Die trockene Akustik im Brahms-Saal ist tückisch. Bemerkenswerterweise nicht zum Nachteil dieser Aufführung. Alle Schwere und Klangdicke fand sich eliminiert. Dafür kostete Woll das Stille, Meditative umso mehr aus. Das Seraphische des vierhändigen Klavierparts, den das Klavierduo Andreas Grau und Götz Schumacher wunderbar klangsubtil gestaltete, fand seine Fortsetzung in den rein und transzendierend gesungenen Chorklängen. Die schwebenden Passagen gelangen dem Chor am eindrucksvollsten. In die Aufführung fügten sich die Solisten bestens ein. Der Bariton Ekkehard Abele ein wenig über Gebühr, da er seine Partie zu verhalten anlegte. Dafür war der samtig weiche, farbenreich leuchtende Sopran von Sabine Goetz ideal, den lieblichen Trost des fünften Satzes auszusingen.
 
In die Mikrostruktur von Klang und Ausdruck leuchteten György Kurtags Choralvorspiele für Klavier vierhändig ebenso aus: still leuchtende Gesänge, meditativ und spirituell musiziert vom Duo Grau/Schumacher.

von RAINER KÖHL