Neues aus dem Osten
Junger Kammerchor des Landes in der Stiftskirche
Schwäbisches Tagblatt Tübingen, 07.06.2004
Mit Gesängen aus Polen, Tschechien, Estland und der Slowakei ließ sich der Junge Kammerchor Baden-Württemberg am Samstagabend in der Motette hören. Sein Leiter, Jochen Woll, hatte sich in seiner Programmgestaltung auf ein zwar keineswegs unbekanntes, aber doch eine besondere Akzentuierung durchaus zu rechtfertigendes Gebiet gegeben, wenn sich auch die ausgewählten Werke um Stil nicht wesentlich von solchen aus dem Westen unterschieden.
Das Vokalensemble, das hier ja schon früher des öfteren zu hören gewesen war, erfreute sein Publikum auch dieses Mal wieder durch die hohe Qualität seiner Tonbildung, durch seine Treffsicherheit und seinen Klangsinn. Die innige Vertrautheit mit Wolls Gebärdensprache führte selbst bei heiklen Konstellationen zu überzeugenden Resultaten.
Am Anfang stand die Vertonung des 13. Psalms, "Deus meus", von Radoslaw Pallarz, einem 1973 in Oberschlesien geborenen, heute in Stuttgart lebenden Musiker. Dafür, dass sie erst vor zwei Jahren entstanden ist, wirkte sie - verbrauchte Harmonien nicht scheuend- fast zu zahm. Ihr folgte mit "De tempore" von 1991 (nach Texten aus dem Alten Testament) ein achtstimmiges Opus des tschechischen Altmeisters Petr Eben (geobren 1933), das als Musikalisierung einer tröstlichen Botschaft einen starken Eindruck hinterließ. Der Este Arvo Pärt (geobren 1935), der sich vom aufmüpfigen Zwölftöner zum Vertreter einfachster harmonischer Bezüge gewandelt hat, war mit einer seiner besten Kompositionen, dem "Magnificat" (1989) für vier- sechsstimmigen Chor und Solosopran, höchst ansprechend vertreten, zumal ihre Wiedergabe jene kunstvolle Schlichtheit besaß, die dieses Stück auszeichnet.
Der tönende Spaziergang durch den Osten setzte sich mit dem "Cherubinischen Lobgesang" (1987) des Polen Krzysztof Penderecki (geboren 1933) fort, der sich ja vom provozierenden Enfant terrible alsbald zu einem der bedeutendsten Vertreter der polnischen Musikkultur gewandelt hat. Auf russisch gesungen, entfaltete dieser liturgienahe Hymnus eine faszinierende Wirkung. Ein "Pater noster" von Mirko Krajci, einem 1968 geborenen, in Paris ausgebildeten Slowaken, wies auf einen sensiblen Exegeten hin. Von dem auch hierzulande bekannten Henryk M. Gorecki (geboren 1933) stammte das den Abend beschließende 1975 entstandene "Amen" (Opus 35), das sich, nicht gerade auffällig eigenartig, ziemlich in die Länge zog. An der Wiedergabe lag das nicht, sie stand, selbstverständlich, auf dem hohen Niveau der übrigen Aufführungen. So fiel denn auch der Beifall der Zuhörer überaus herzlich aus.