Schwungvoll unverhetzt
Junger Kammerchor Baden-Württemberg sang Bachs Weihnachtsoratorium
Rhein-Neckar-Zeitung, 05.12.2005
Fern von allem Festlichkeitspomp geriet die Aufführung von Bachs Weihnachtsoratorium (die Teile 1, sowie 4-6), mit welcher der Junge Kammerchor Baden-Württemberg in St. Vitus Heidelberg-Handschuhsheim auftrat. Vielmehr brachte diese exzellente, von Jochen Woll geleitete Aufführung die Freudenbotschaft, die unerhörte Neuigkeit des Weihnachtswunders zu klanglich erfrischendem Ausdruck.
Beste Basis dafür war zum einen der wunderbar durchsichtige, schlank und beweglich gestaltete fein pulsierende Chorklang. Äußerst lebendig akzentuiert sang dieser, vorbildhaft ausgewogen im Klangverbund, wobei die auffallend präsenten, trefflich resonanzreichen Tenöre den Ton angaben. Eine große Lebendigkeit durchzog diese Aufführung, überaus sauber durchzeichnete chorische Koloraturen, wurde mit ausgesprochen feinen dynamischen Valeurs eine große Unmittelbarkeit erreicht. Dabei mied Jochen Woll extreme Tempi oder überzeichneten Ausdruck - die ganze Frische und lebendige Plastizität dieser Aufführung erreichte er vielmehr durch eine ganz frappierende klangliche Transparenz und Genauigkeit der Phrasierung und Artikulation.
Da gab es keine verhetzten Tempi und dennoch erreichten die Eingangschöre eine schwungvolle Rhythmik, die ungeheuer mitreißend waren. In schönstem Kontrast dazu wurden die Choräle zumeist leise und besinnlich in ein betörend meditatives Licht getaucht.
Allerbeste orchestrale Partner hatte man mit "L'arpa festante" gefunden, wobei diesem Barockorchester hymnische Feierlichkeit ebenso fern lag wie dem Chor. Die historischen Blasinstrumente verweigern sich schon von Natur aus einem glatt polierten Festlichkeitston - umso mehr erweckte dieses Spiel erfrischende Assoziationen an das Musizieren von Hirten und Engeln, die vor Ort, an Bethlehems Stall ihrer Freude musikantisch natürlichen Ausdruck verliehen. Das klang ebenso rustikal erfrischend wie beseelt und innig.
Junge, ausgezeichnete Solisten machten das Krippenglück perfekt. Schön leuchtend, geschmeidig und schwungvoll sang Monika Mauch die Sopranarien, David Erler beeindruckte mit klar und farbenstark durchglühten Alt-Arien. Mit sehr angenehm warmem Timbre nahm der Tenor Andreas Weller für sich ein, der seinen Rezitativen flammende Intensität und den Arien schönste Elastizität gab. Der Bassist Ekkehard Abele hat seine Stärken im Lyrischen. Nicht immer war sein Organ ebenmäßig geführt, klang seine Arie "Erleucht auch meine finstre Sinnen" stellenweise unsauber. Die unerhörte Freudenbotschaft dieser Aufführung aber ist aufs Beste angekommen.
Von Rainer Köhl