Peter Schindlers »Missa in Jazz« mit dem Jungen Kammerchor
Fromm ohne Weihrauch
Reutlinger Generalanzeiger, 26.02.2007
Ein starkes Stück, ja ein bedeutendes Werk ist diese »Missa in Jazz« des Stuttgarter Komponisten Peter Schindler. Weshalb? Weil er das alte und ehrwürdige »Ordinarium Missae«, also das gleich bleibende Gerüst der römischen Messfeier, nicht einfach zeitnah verjazzt hat, sondern weil er nachgewiesen hat, welch aufrüttelnde Kraft, welch enorme Spannung, welche Hingabe und Hoffnung, welche Frömmigkeit und Ekstase in diesen Gebeten und Hochgesängen enthalten sind, die viele als formelhaft abtun. Schindler holt diese Texte in die Gegenwart, aber er erlebt sie dabei intensiv und verstärkt sie mit der Frische und Ursprünglichkeit des Jazz - ohne historische Bezüge preiszugeben. Gregorianische Anklänge, kleine Fugati, weiche, verklärende Harmonisierungen, heftige Eruptionen, bei denen Chor und Orgel, Saxofon und Schlagzeug Feuer und Glanz und Urgewalt spucken, und ganz stille, balladenhafte Abschnitte von wundersamer Sanglichkeit und Inbrunst ziehen einen weiten Bogen, ohne dass dadurch ein Patchwork-Gebilde entstünde. Schindlers »Missa in Jazz« ist ein autonomes Werk. Kraftvoll. Großräumig. Leidenschaftlich. Hartnäckig und steigernd in den vielen litaneiförmigen Wiederholungen. Fromm ohne Weihrauch. Voller motorischer Energie. Grell und zart. Mit abrupten Satzschlüssen gleichsam aus voller Fahrt heraus und immer wieder berührend in seiner Innigkeit. Es endet schlicht und leise mit der letzten Friedensbitte des Agnus Dei.
Die »Missa in Jazz« wurde für den Jungen Kammerchor Baden-Württemberg und für das Trio Pipes & Phones mit Peter Lehel, Saxofon, Peter Schindler, Orgel, und Markus Faller, Schlagzeug, geschrieben. Diese beiden Ensembles haben unter der exakt impulsiven Leitung von Jochen Woll in der Christuskirche Werk und Wiedergabe auf mitreißende Weise zur Deckung gebracht. Nahtlos sind die Teile im alten Stil in die rhythmischen und klanglichen Stimulationen des Jazz übergegangen und umgekehrt auch. Hat sich die Spannung daraus immer wieder zu Höhepunkten aufgebaut.
Deklamatorische Prägnanz
Der Junge Kammerchor hat begeisternd kompetent gesungen. Klar. Dynamisch. Farbig. Vorwärts. Aggressiv. Klangvoll und klangschön. Sicher bis in die feinen A-cappella-Abschnitte hinein. Eine gewaltige Wand im Forte und im Piano ein sanftes Leuchten, besonders bei den Frauenstimmen. Und noch eines fiel auf: Die deklamatorische Prägnanz dieses Chores, die dem Latein des Mess-Ordinariums zu großer Eindringlichkeit verholfen hat.
Peter Lehel war der überragende Saxofonist, als den man ihn kennt. Seine steilen Improvisationen hatten Brillanz und Schärfe. Und ein Poet des Tons ist er auch gewesen, wie zu Beginn des Benedictus. Markus Faller am Schlagzeug: Ein Schrittmacher mit Übersicht und perfektem Timing. Peter Schindler an der Orgel hat seine Musik - so hat es sich mitgeteilt - spontan erlebt. Ein Kraftquell mit Präzision, der den »Miserere«-Schrei des Gloria furios verstärkt hat. (hdw)