Liebe, international
Hohelied-Vertonungen in der Tübinger Motette
Schwäbisches Tagblatt, 15.02.2011
Tübingen. Mit am besten funktionieren in der Stiftskirchen-Motette Programme mit einem klaren roten Faden und einer stringenten Dramaturgie. Der Junge Kammerchor Baden-Württemberg unternahm am Samstag eine musikalische Zeit- und Weltreise durch das Hohelied Salomos: aufsteigend vom Frühbarock bis zur Gegenwart. Ein interessantes Konzept mit kundig recherchierten Werken.Im Programmheft waren alle acht Kapitel des Hohelieds abgedruckt, so dass sich schön verfolgen ließ, welcher Komponist zu welcher Zeit welchen Abschnitt vertont hat. Auch wenn Stellen wie das „Nigra sum“ („Ich bin schwarz, aber gar lieblich“) immer schon zu den absoluten Favoriten gehörten, verteilte sich die Textauswahl doch erstaunlich gleichmäßig. Mit der Reformation kamen die ersten volkssprachlichen Vertonungen auf, im 20. Jahrhundert erschien hingegen das archaische Latein wieder attraktiv.
Seit 1985 versammeln sich im Jungen Kammerchor Baden-Württemberg unter der Leitung seines Gründers Jochen Woll ausgewählte Sänger(innen) aus dem gesamten Land, um in kompakten Probenphasen neue Programme einzustudieren. Insgesamt gefiel die reine Klangqualität der 30 Stimmen, ihr engagierter sängerischer Einsatz.
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Lebhaft und klangvoll gelangen die Vertonungen von William Billings, einäugiger Gerber und autodidaktischer Gründervater des US-amerikanischen Kirchengesangs. Hier ging der Chor mit hymnischen Lautstärken und schmissiger Rhythmik hinein in die Erweckungsmusik.Am sinnlichsten und klangschönsten agierte der Chor im spätromantischen und moderat modernen Repertoire: Edvard Griegs nordisch-herbes „Hvad est du dog skjön“ („Wie bist du doch schön“) ruhte auf geheimnisvollen Kristallakkorden, auch wenn es im zu langsamen Tempo seinen volkstümlichen Schwung verlor. In allen Lichtbrechungen, aufgefächert in irisierende Klangflächen, erstrahlte „I sat down under his shadow“ des Briten Edward Bairstow. Zunehmend differenzierter in der Dynamik, waren bei dem kanadischen Zeitgenossen Stephen Chatman („You have ravished my heart“) feine Reibeklänge zu hören. Das „Shir Hashirim Perek Gimel“ („Des Nachts auf meinem Lager“) des israelischen Komponisten Yehezkel Braun hatte Ausdruck, war aber insgesamt zu lang. Pablo Casals – sonst bekannt als Cellist– überraschte zuletzt mit seinem „Nigra sum“, und der Kammerchor zeigte noch einmal seine sonore Klanglichkeit.