Zeitlos im Oktogon
Äußerst anspruchsvolles Programm
Badische Neueste Nachrichten, 06.02.2018
In Siebenmeilenstiefeln durch die Musikgeschichte von der Renaissance bis zur Gegenwart konnten die Konzertbesucher in der Lukaskirche eilen. Der Kammerchor Baden-Württemberg war mit einem äußerst anspruchsvollen, chronologisch geordneten A-cappella-Programm unter dem Motto „Zeit-Los“ zu Gast. Der Chor, bestehend aus ausgewählten Choristen aus ganz Baden-Württemberg, begann mit „Agnus Dei“ für drei bis sechs Stimmen aus der Missa „L’homme armé“ von Josquin Deprez. Bei der kleinen Besetzung mit zwölf Sängerinnen und neun Sängern kommt es auf jede Stimme an und die Lukaskirche in ihrer modernen Sachlichkeit der 1960er Jahre wäre ungeeignet, etwaige Schwächen mit langem Nachhall zu kaschieren. Doch das hat dieser Chor, abgesehen von seltenen minimalen Intonationsschwankungen, nicht nötig. Zwei Madrigale aus dem „Israelsbrünnlein“ von Johann Hermann Schein gestaltet der Chor unter der Leitung von Jochen Woll mit dynamischer Feinzeichnung.
In den melismatischen Sechzehntelfiguren von Johann Sebastian Bachs Motette für zwei vierstimmige Chöre „Der Geist hilft unserer Schwachheit auf“ BWV 226 stellten die Choristen die Beweglichkeit ihrer Stimmen unter Beweis und verstanden es überdies den Text dramatisch zu gestalten – „des Fleisches Blödigkeit“ im Forte, den Tod aber im ersterbenden Piano. Dynamisch kontrastreich war auch Felix Mendelssohn-Bartholdys Psalmmotette für Soli und achtstimmigen Doppelchor „Mein Gott, warum hast Du mich verlassen“ mit kraftvollen Christusworten des Solotenors.
Chorleiter Woll hat Mendelssohns „Verleih uns Frieden gnädiglich“ in eine „Dolby-surround“-Version mit vier auf den Raum verteilten Chorgrüppchen umgestaltet. Verschiedene Langsamkeitsstufen aus vier der Seiten des achteckigen Raumes ergaben ein faszinierendes Klangerlebnis.
Als Abschluss hatte Woll die Motette „De Tempore“ des tschechischen Komponisten Petr Eben ausgewählt, der stilistisch einen großen Bogen von der Gregorianik bis zu dezent jazzigen harmonischen Klangreibungen spannte.
Das Publikum spendete reichlich Applaus, für den sich der Kammerchor mit einem schlichten italienischen Kirchenlied bedankte, einem Souvenir der Probenwoche in der Nähe des Gardasees.
[Silke Blume]